Wolbert Smidt arbeitet als Ethnohistoriker im Yeha-Projekt am Seminar für Orientalistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, in enger Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI), Sana'a Branch, Jemen / Berlin, mit Schwerpunkt auf Überlieferungen und Kulturpraktiken in Tigray, Äthiopien. Außerdem ist er als Full Professor adjunct member des Anthropology Department der Universität Mekelle, am Institute for Palaeoenvironment and Heritage Conservation (IPEHC) und betreut Doktoranden in den beiden Doktorandenprogrammen "Ethnologie" und "Geschichte & Kulturwissenschaften" an zwei Instituten der Mekelle University und gelegentlich in Partnerinstitutionen (Universität Konstanz, Syddansk Universitet - Odense). Von 1999 bis 2010 war er Assistant Editor der Encyclopaedia Aethiopica am Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik der Universität Hamburg und danach, neben mehreren Gastprofessuren, Associate Professor in Ethnohistory der Mekelle University, Tigray, Äthiopien, und Leiter eines deutsch-französischen ethnohistorischen Projektes zu nordostafrikanischen Territorialtraditionen am Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt (Ethiomap, 2016-2019).
Er arbeitet seit seiner Studienzeit 1993 zu Äthiopien und Eritrea, später auch zu Dschibuti und Nord-Sudan, mit ethnologischen Feldforschungen von bis zu einem Jahr in der Region, insbesondere 2004/05 in Tigray im DFG-Projekt Friedensräume unter Druck mit vergleichenden Studien in anderen Regionen Äthiopiens. Im Zentrum dieser Forschungen ging es um die soziopolitische Verfasstheit traditioneller Gesellschaften am Rande bzw. fern des Staates und deren Selbstorganisation zwischen Konfliktlösung, Konfliktausübung und Schaffung von "Friedensräumen" trotz äußerem Druck. Ethnologische, historische und ethnohistorische Forschungen konzentrierten sich insbesondere auf die Tigrinya-Sprecher in Tigray (mit besonderem Interesse für Inderta, Tsera', Agame, Adwa-Tigray, West-Tigray) und Eritrea (Hamasen und Akkele-Guzay), unter Einschluss der Traditionen der muslimischen Minderheiten wie den Tigrinya-sprechenden Hazo von Negash in Tigray. Dazu kommen Forschungen zu den Oromo, Afar, Bilin und Tigre, aber auch vergleichende ethnohistorische Versuche zu europäischen Minoritäten wie den Friesen, mit dem gleichen Interesse für die kulturell-soziopolitische Verfasstheit staatsferner Gesellschaften. Wolbert Smidt interessiert sich für lokale Rechtstraditionen (Rechtsethnologie), Legenden und Kulturpraktiken, aus denen sich sehr langfristige Entwicklungen der Gesellschaften und ihrer Beziehungsnetzwerke ablesen lassen.
Ergebnisse der Forschungen finden sich in über 200 Artikeln, darunter peer-reviewte wissenschaftliche Enzyklopädie-Artikel (Encyclopaedia Aethiopica), sowie Monographien und Buchherausgaben. Während der Arbeit an der Mekelle University wurden in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Ethnologische Forschung Halle ethnohistorische Interviews mit tigrayischen Geschichtserzählern dokumentiert (Projekt von Ivo Strecker Guardians of Productive Landscapes, mit Günther Schlee). Weitere Arbeiten konzentrieren sich auf die europäisch-afrikanischen Beziehungen, von Diplomatie- und Missionsgeschichte, Museumskooperation (wie die GFMÄ) bis zur Geschichte des Rassismus, wozu Wolbert Smidt insbesondere die philosophiehistorische Monographie Afrika im Schatten der Aufklärung als Dissertation in politischer Anthropologie verfasst hat, mit Diskussion der Rolle Immanuel Kants als Vordenker einer neuen, rassistisch konstituierten Denkschule über Fortschritt und Rückständigkeit von Völkern.
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